
Marokko – Teil 2
Wir fahren ins Atlasgebirge, die Temperatur fällt rapide und durchgehender Regen setzt ein. Wir schrauben uns die Serpentinen nach oben, bis auf über 2.500 Meter. Geteerte Wege gibt es jetzt schon lange nicht mehr und der Regen verwandelt einspurige Straßen in matschige und glitschige Pisten. Die Gegend ist so unbesiedelt, dass wir am Tag höchstens 2-3 andere Autos sehen. Die einzigen Bewohner scheinen Ziegenhirten zu sein, ihre Kleider sind dreckig und zerlumpt. Oft werden wir nach Medikamenten und Kleidung gefragt, aber wir haben leider nichts. Es geht nur noch mit gesperrtem Mitteldifferential vorwärts und wir kommen ungefähr 40km weit pro Tag. Irgendwo im nirgendwo treffen wir Simone, einen 34-jährigen Italiener und Laurel, eine 28-jährige Amerikanerin. Sie sind in einem weißen Defender 90 unterwegs. Wir beschließen zusammen weiterzufahren und aus nur einem geplanten Tag werden schließlich sechs. Wir campen durchgehend in der Wildnis und bei Imilchil finden einen kleinen Bergsee in den wir morgens alle reinspringen. Abends kommen durchgefroren Berber zu uns und wärmen sich bei uns am Feuer. In einem Monat wird hier jede Menge Schnee liegen und schon jetzt fällt die Temperatur in der Nacht bis auf 5 Grad.
Nach vier Tagen in den Bergen wird es weiter südwärts langsam wieder wärmer und nach einigen Tagen erreichen wir die Ausläufer der Wüste. In Merzouga, an der Grenze zu Algerien erstrecken sich Sanddünen bis zu einer Höhe von 300 Meter. Wir lassen die Luft aus den Reifen um mehr Auftrieb zu bekommen und jagen die Autos durch den Sand. Über 200 Kilometer fahren wir durch die Sahara und navigieren nur noch durch GPS und Kompass. Schier endlos zieht der Wadi Daoura, ein um diese Jahreszeit weit über die Ufer getretenes Flussgebiet, durch die Wüste. Wir suchen stundenlang nach einer geeigneten Stelle ihn zu überqueren. Das Wasser hat den Sand teilweise auf einer Fläche von 5km2 aufgeweicht und ist wie flüssiger Beton. Hier reinzufahren würde unweigerlich bedeuten sich festzufahren. Endlich finden wir eine steinigere Stelle, allerdings fällt die Böschung fast 1.5 Meter steil ab. Mit Schaufeln und Händen begradigen wir die Stelle so gut es geht und überqueren den Fluss. In Zagora kommen wir wieder in der Zivilisation an, nach fast einer Woche in der Wildnis der Berge und der Sahara. Die Tanks sind leer und wir legen einen Restday ein. Die harten Straßen haben ihren Tribut gefordert, sowohl an Auto als auch an uns (mir). Der Defender hat einen geplatzten Simmerring am vorderen Achskugelgelenk, in das schon jede Menge Sand eingedrungen ist. In einer abenteuerlichen Straßenwerkstatt wird das Problem in einem halben Tag Arbeit behoben und ein neuer Ring eingesetzt. In der Werkstatt sammeln sich noch etliche andere Overland Fahrzeuge, die ebenfalls die Sahara an dieser Stelle durchquert haben. Von Motorschaden, bis Sand im Tank bis Rollover in den Dünen ist alles dabei – wir sind noch glimpflich davongekommen.
Dafür macht mir mein Fuß etwas Probleme, vor ein paar Tagen bin ich barfuß in eine Dorne gestiegen. Unbehandelt hat sich die Wunde entzündet und ein Stück des Stachels ist tief unter die Haut gewandert. Das Krankenhaus hat schon bessere Tage gesehen, aber die Instrumente sind sauber. Nur die Betäubungspritzen sind gerade aus und es gibt kein Operationslicht. Mit der Handylampe und ohne Betäubung wird die Stelle aufgeschnitten und dann wieder zugenäht. Ich hatte schon angenehmere Behandlungen, aber halb so wild.
Jetzt heißt es Abschied nehmen von Simone und Laurel, die sich zum Bergsteigen aufmachen, während Elena Zeitung liest und ich in der Hängematte zurückbleibe.