Ghana

Ghana

30th Dezember 2018 Aus Von Maxi Brommer

Ghana ist anders. Zivilisiert. Entwickelt. Aufgeschlossen. Nach dem Senegal scheint Ghana bis nach Südafrika die einzige Bastion westlichen Lebens auf meiner Route zu sein.
Es existiert eine stabile Regierung, eine stabile Währung, eine stabile Sicherheitslage. Genug um ausländische Investoren und Arbeitskräfte anzulocken. Dazu Englisch als Amtssprache, auch wenn nur eine Minderheit ein Englisch spricht, das wir ich verstehen werde. Aber das ist ein anderes Thema.

Anders ist auch meine Art zu Reisen. Basti ist das Gegenteil von Jan. Waren die letzten Wochen strukturiert und geplant, geht es jetzt entspannt, fast verplant zu. Was passenderweise auch die Charaktere meiner beiden Begleiter widerspiegelt. Ich warte darauf, dass Matthias, der Schweizer Motorradfahrer, mitsamt nigerianischem Visum aus Burkina Faso zurückkehrt und kann somit auch etwas Tempo rausnehmen.

Unser erster Stopp ist Busua, Ghanas wohl bekanntester Strand. Am Wochenende komplett überfüllt, präsentiert er sich für uns einsam und ruhig.
Wir campen in einem kleinen Resort direkt am Strand, es gehört Patricia, eine Mittvierzigerin mit dem Körper einer Zwanzigjährigen. Afrikanische Gene. Sie scheint jeden zu kennen und wird von allen nur Sister genannt.

Auf der Straße vor dem Resort parkt ein ausgebauter Defender. Ich freue mich mal wieder einen Overlander zu treffen, aber er gehört Robin, einem Franzosen, der in Ghana lebt. Er ist in Eile, lädt uns aber zu sich nach Accra ein. Eine Einladung, von der wir später noch profitieren werden.

Am Strand werden Basti und ich nach kurzer Zeit aufgrund unserer Ähnlichkeit Ti und Tidi getauft – die Zwillinge. Dass bleibt auch Patricia, die selber zwei kleine Zwillinge hat, nicht verborgen und wir kommen daraufhin in den Genuss, wie ihre Söhne behandelt zu werden.
Wir essen zweimal am Tag Meeresfrüchte, es ist unglaublich frisch und unglaublich billig. Vor unseren Augen kommen die Fischerboote am Strand an und zehn Minuten später liegen bereits Langusten und ein Haufen verschiedener Fische auf dem Grill.
Basti und ich bleiben drei Tage, wir spielen mit den Einheimischen Fußball, schwimmen ewig aufs Meer hinaus und joggen den Strand entlang.

Am vierten Tag hören wir von einem Strand, zwanzig Kilometer entfernt, nur mit einem Geländewagen erreichbar. Er wird nur Paradies genannt. Es klingt so gut, dass wir sofort beschließen aufzubrechen, brauchen dann allerdings zwei Tage dorthin. Nicht weil es so weit weg ist, sondern weil wir es einfach schlichtweg nicht finden.
Ich bin kurz davor die Nerven zu verlieren, als zum vierten Mal der Feldweg in einer Sackgasse endet. Die lokale Bevölkerung kann uns auch nicht weiterhelfen, ihr Englisch ist zu schlecht oder zu unverständlich. Meistens eine Mischung aus beidem. Am Ende des ersten Tages ist es schon dunkel, als wir bis auf 800 Meter an den Strand herankommen, dann aber feststellen müssen, hier ist ein unüberquerbarer Fluss und ohne Brücke. Wir sind von der falschen Seite gekommen. Wir müssen wieder zurück nach Busua und dort eine weitere Nacht bleiben. Irgendwann am nächsten Tag finden wir es dann aber doch und wundern uns nicht über den Namen.

Palmen säumen den kleinen Strand, der auf beiden Seiten von Felsen eingeebnet wird. Vor der Bucht liegt eine kleine, bewaldete Insel mit einem verfallenen Fort. Über dem weißen Dunst des Eillandes kreisen riesige, schwarze Vögel und lassen die Ruine in einem mystischen Gesicht erscheinen.
Kleine Wellen werden an den einsamen Sandstrand gespült und produzieren ein monotones Rauschen.
Hier kann man komplett für sich alleine sein, kein Empfang, einzig ein paar Einheimische schlendern ab und an den Strand entlang.

Nach zwei Tagen Ruhe müssen wir weiter, an der Küste entlang Richtung Accra machen wir in Cape Coast halt. Wir besichtigen zwei Forts, von denen nahezu ein halbes Jahrhundert Sklaven nach Europa und Amerika verschifft wurden. Mein bislang einziger Besuch kultureller Natur während meiner Reise.

Ohne Probleme kommen wir in Accra an und treffen Robin wieder, der uns zu sich eingeladen hat. Wahnsinn – wir haben zuvor gerade mal fünf Minuten mit ihm gesprochen.
Wir erfahren, dass er in Nigeria und Senegal aufgewachsen ist, später in Frankreich studiert hat und jetzt in Ghana arbeitet. Er ist vier Jahre jünger als ich, macht aber einen unheimlich fokussierten und reflektieren Eindruck.
Er arbeitet in der Lebensmittelindustrie und wohnt in einem brandneuen, riesigen Apartmentkomplex. Seine Wohnung zieht sich über zwei Stockwerke, hat ein Gästezimmer, eine heiße Dusche, Klimaanlage in allen Zimmern und auf dem Dach des Komplexes befindet sich ein riesiger Swimmingpool mit Blick über Accra. Die Wohnung kostet unglaubliche 4.500$ im Monat und wird von seiner Firma gezahlt.
Drei Tage verbringen wir in seiner Wohnung, Robin arbeitet unter Tags und scheint uns blind zu vertrauen. Ich beginne mich zu fragen warum und kann es mir nur mit seiner unterschiedlichen Kindheit und Erziehung erklären. Ich würde mir schwer tuen, einem Fremden meine Wohnung anzuvertrauen.
Es ist traurig, in Afrika teilt jeder scheinbar alles mit jedem, während wir in Europa zumeist sehr auf uns konzentriert sind.

Nach und nach lernen Basti und ich Robins Freundeskreis kennen. Sie sind alle junge Akademiker aus unterschiedlichen Kulturen und Herkunftsländer, die nach Ghana gekommen sind, um sich hier eine Zukunft aufzubauen. Basti und ich beginnen zu realisieren, dass wir mitten in der Gründerszene Accras angekommen sind.
Da gibt es Federico aus Uruguay, der jetzt Großfarmer ist, Sinar aus Libanon, der ein Warenhaus betreibt, dazu Nasib ein Pilot aus Argentinien und Angelo, Künstler aus Ghana. Und Robin, der ihr Anführer zu seien scheint, auch er macht sich Anfang des neuen Jahres selbständig. Alle eint ihr junges Alter, ihre Ausbildung außerhalb Afrikas und ihr Ehrgeiz in Ghanas aufstrebender Wirtschaft einen Platz zu finden.

Am nächsten Tag fliegt Basti nach Hause, knapp zwei Wochen war er zu Besuch und wie mit allen anderen davor auch, hätte ich es auch mit ihm deutlich länger ausgehalten. Aber jetzt kommen Nigeria, Kamerun und die beiden Congo’s – Länder die keiner meiner Freunde freiwillig besuchen will. Das heißt für mich acht Wochen alleine sein – ich fahre noch in der Nacht Richtung Togo. Robin verbringt das Wochenende mit seinen Freunden auf einer kleinen Insel, von dort habe ich nur noch 100 Kilometer nach Togo. Ich genieße den letzten Abend den Luxus einer Dusche und einer richtigen Mahlzeit. Morgens breche ich auf, nur die Polizei stoppt mich kurz, weil ich mal wieder ohne Schuhe fahre. Ich halte mich nicht lange mit ihnen auf, besteche sie mit einer meiner Warnwesten und erreiche die Grenze Togos.