Gabun, Kongo (Brazzaville) & Cabinda

Gabun, Kongo (Brazzaville) & Cabinda

29th Januar 2019 Aus Von Maxi Brommer

Nach der verweigerten Einreise in Gabun darf ich drei Tage später dann doch noch einreisen. Diesmal muss ich dafür nicht mal das Grenzbüro ausfegen. Dafür ordentlich aufs Gaspedal drücken. Durch den Zeitverlust ist inzwischen eines meiner weiterführenden Visa vom Ablauf bedroht.
Trotzdem genieße ich Gabun, es scheint so anders als die anderen Länder. Feinste Teerstraßen fräsen sich wie eine Raupe durch den undurchsichtigen Dschungel. Es ist ruhig und kaum Verkehr und bis auf das dumpfe, monotone Brummen meines Motors, höre ich nur Vögel und Affen schreien. Die Idylle wird nur von dem regelmäßigen Platzregen gestört, der in einem halbstündigen Rhythmus beginnt und wieder aufhört. Die Scheibenwischer schaffen dann selbst auf der höchsten Stufe nicht das wegzuschieben, was der Himmel ausspuckt und das Prasseln der dicken Tropfen hört sich vielmehr nach einem Hagelschlag an. So schnell wie der Regen begonnen hat, ist er aber auch schon wieder vorbei und so kommen Dave, der australische Motorradfahrer, und ich gut voran.

Verstörend ist nur das Bushmeat, das die Einheimischen im Regenwald illegal fangen und dann aufgespießt auf Holzpfählen hochhalten, wenn man vorbeifährt. Affen, kleine Gazellen, riesige Ratten, Schlangen, es ist wirklich abschreckend. Aber offensichtlich gibt es genügend Abnehmer, wir gehören nicht dazu.
Die nächsten Tage fahren wir durchwegs im Morgengrauen los, der Nebel hängt so dicht über der Straße, dass man denkt, man könnte ihn mit der Hand wegwischen.
Wir passieren den Äquator, unspektakulär weißt nur ein heruntergekommenes Schild überhaupt darauf hin. Ich muss es mit beiden Händen stützen, um ein vernünftiges Photo hinzukriegen. Dave macht mit seiner vollbeladenen 300 Kilo Enduro einen Wheelie und wir fahren noch am selben Tag weiter bis nach Lambarene.

Die kleine Stadt inmitten Gabuns liegt wunderschön an einer riesigen Flussgabelung und hat für mich auch eine persönliche Bedeutung. Hier hat der Arzt und spätere Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer sein Lebenswerk aufgebaut. Ein riesiger Krankenhauskomplex mitten im Urwald, der auch heute noch besteht und weitergeführt wird. Hier hat mein Vater vor dreizig Jahren seine ersten Schritte als Arzt gemacht und nach seinem Studium für ein halbes Jahr gearbeitet.

Wir nähern uns der Grenze der Republik Kongo, angelehnt an die Hauptstadt, nur Kongo-Brazzaville genannt. Die Ausreise aus dem Gabun gestaltet sich ähnlich kompliziert wie die Einreise. Den Stempel im Pass muss man sich 60 Kilometer vor der Grenze in der Stadt Ndende holen. Es ist Sonntag und das Grenzbüro ist geschlossen. Noch ein Tag verlieren, ist aber absolut nicht mehr drin und so beschließe ich ohne Ausreisestempel auszureisen. Das könnte eine Menge Probleme geben, sowohl im Gabun, als auch im Kongo. Die makellosen Teerstraßen sind inzwischen auch vorbei und so kämpfen wir uns zwei Stunden durch die völlig aufgeweichte Piste zur Grenze. Riesige Pfützen blockieren die Straße, aber noch ist der Schlamm flüssig und nicht lehmig. Schwierig ist es nur durch das braune Brackwasser die Tiefe der Wasserlöcher festzustellen. Aber ich das inzwischen gut einschätzen, denke ich zumindest. Nach ein paar harten Schlägen revidiere ich meine Meinung und schalte vom Möchtegern Rallye Dakar Fahrer wieder in den deutschen Spießer-Gang zurück.
Die Grenzer Gabuns sind alle herzlichst unmotiviert am Sonntagabend zu arbeiten. Ihre Uniformem wurden längst gegen Unterhemden getauscht, der Alkohol fließt und jede Menge Frauen schwirren in dem abgelegen Grenzbüro umher. Mein Pass wird nicht mal aufgemacht und so fällt keinem auf, dass er nicht ausgestempelt ist.
Es ist dunkel, als wir bei ihren Kollegen des Kongos vorstellig werden. Das gleiche Bild gilt auch hier und ich spendiere dem verlottertem Beamten zur Begrüßung zwei Bier aus meinem Kühlschrank. Anschließend bringt er das seltene Kunststück fertig, mit einer Hand die Dose zu öffnen und mit der anderen meinen Pass zu stempeln. Willkommen im Kongo. Nach einer weiteren Dose erlaubt er uns neben seinem Grenzhäusschen zu campen.
Und während Dave und ich wenig später ins Dachzelt kriechen, findet in Gabuns Hauptstadt ein Militärputsch statt. Oppositionelle besetzen die Radiostation und rufen die Absetzung des Präsidenten aus. Panzer rollen durch die Stadt, der Putsch wird schnell niedergeschlagen. Gabuns Grenzen bleiben anschließend für zwei Wochen geschlossen. Nochmal Glück gehabt. Der Reisegott hat es wieder mal gut mit mir gemeint.
Am nächsten Morgen interessiert uns aber vielmehr die Beschaffenheit der Straße nach Dolisie, 250 Kilometer Matschpiste stehen uns bevor und es regnet seit einer Woche. Wir kommen trotzdem erstmal gut voran, passieren dutzende, kleinere Dörfer. Das „Money, Money“ Geschrei der Kinder bekomme ich inzwischen schon gar nicht mehr mit, ganz im Gegensatz zu den warnenden Worten der uns entgegenkommenden Motorradtaxis, die uns auf eine nahezu unpassierbare Stelle hinweisen.
Einige Kilometer später taucht ein Lkw auf, der etwa hüfttief im Schlamm steckt. Der Defender gräbt sich langsam, aber unaufhaltsam durch den Schlamm. Beim LKW angekommen, stelle ich fest, hier kann ich auch nicht helfen. Wir geben dem Fahrer und seinem Team Wasser und Kekse. Sie stecken seit 14 Stunden hier fest und mussten schon eine Nacht auf der Ladefläche verbringen. Irgendwann heute Abend soll wohl ein anderer Lkw vorbeikommen, der sie dann rauszieht. Alltag in Afrika. Mir haben schon LKW Fahrer erzählt, dass sie mehrere Monate an einer Stelle im Busch festsaßen, bis Ersatzteile kamen. Bis das geschieht müssen sie bei ihrem Wagen ausharren und ihn gegen Plünderer verteidigen. Deswegen wird jeder LKW auch immer mit mindestens drei Männer besetzt. Ein Fahrer, ein Mechaniker und der dritte unterstützt die anderen beiden.
Nach sechs Stunden kommen wir in Dolisie an, fahren aber noch am gleichen Tag weiter nach Point-Noire. Auch heute sind es wieder drei Stunden Fahrt im Dunkeln und insgesamt mehr als 15 Stunden im Auto. Die Republik Kongo ist wunderschön, die Leute freundlich und zurückhaltend, hier werde ich nochmal in Ruhe zurückkommen.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Cabinda, eine angolanische Exklave, die zwischen der demokratische Republik Kongo und Angola liegt. Letzteres Land hat sich nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg Investoren und inzwischen auch Touristen geöffnet. Noch vor einem Jahr war das Visum ähnlich schwer zu bekommen, wie das für Nigeria, doch seit wenigen Monaten gibt es ein e-Visa, dass Dave und ich an der Grenze präsentieren. Es muss an einem speziellen Gerät ausgedruckt werden, momentan kann das aber nur von einem Grenzbeamte bedient werden. Der muss erstmal von einem anderen Grenzübergang hergefahren werden. Wir warten vier Stunden und betreten dann als 20. und 21. Tourist mit einem im Internet beantragtem Visa Cabinda.
Die gleichnamigen Hauptstadt der Exklave wirkt auf mich eher wie eine spanische Kleinstadt. Schicke Autos, gute Straßen, geregelter Verkehr. Angola hat einen nahezu unerschöpflichen Vorrat an Bodenschätzen und das macht sich auch in Cabinda bemerkbar. Das es für Angolaner immer noch nahezu unmöglich ist, ausländische Währung zu tauschen, gibt es einen blühenden Wöhrungsschwarzmarkt. Uns werden die Euros und Dollars nur so aus der Hand gerissen. Vorteil für uns: auf einmal ist das teure Angola spottbillig. Ein Liter Diesel kostet auf einmal nur noch 33ct.

Wir sind an der Grenze zu der demokratischen Republik Kongo angekommen. Genannt Kongo Kinshasa oder auch nur DRC. In den letzten Tagen hat es immer wieder geregnet, aber jetzt schüttet es und das schon seit vier Stunden. Kongo wird im Matsch versunken, dafür ist es bekannt, soviel ist klar. Das ist aber nur das zweitgrößte Problem. DRC gehört seit Jahrzehnten zu Afrikas instabilsten Ländern, von den letzten fünf Präsidenten wurden zwei ermordet und seit geschlagenen 59 Jahren hat das Land keinen friedlichen Regierungswechsel erlebt. Leider soll der genau morgen stattfinden. Unser Visa ist nur noch zwei Tagen gültig und wir sitzen an der Grenze und verfolgen die News. Irgendwann heute Nacht werden die Wahlergebnisse veröffentlicht, danach wird der Kongo brennen und wir dann mitten drin.