
Casamance & Guinea-Bissau
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker früh morgens und ich spendiere Jan mit meinem kleinen Kocher einen echten italienischen Kaffee. In Ermangelung an Zucker und Milch würde das sogar den trägsten afrikanischen Grenzbeamten auf Trab bringen. Das ist aber gar nicht nötig, sowohl die Ausreise in Gambia als die Wiedereinreise in den Senegal verläuft problemlos.
Jetzt sind wir in der Casamance, Senegals südliche Landzunge, die Gambia völlig umschließt. Seit mehr als 20 Jahren herrscht in der Region ein mal mehr und mal weniger heißer Konflikt – Rebellen wollen die Casamance in die Unabhängigkeit führen und kämpfen mit Guerillataktik gegen senegalesische Regierungstruppen.
Von denen sehen wir jede Menge, sie sehen allerdings ziemlich verlottert aus. Ihre Checkpoints sind mit quer gelegten Baumstämmen auf der Fahrbahn gesichert. Wir handeln uns mehrfach Ärger ein, weil wir auf ihre selbsterrichteten Straßensperren zu schnell zufahren. Das hat jedes Mal eine Autodurchsuchung zur Folge. Wir machen dementsprechend ein bisschen langsamer und auch die Soldaten scheinen entspannt, der letzte Angriff der Rebellen liegt mehr als vier Jahre zurück. So fahren wir etwas gemütlicher und genießen die wunderschöne Landschaft. Riesige Reiher werden durch das Motorengeräusch aufgeschreckt und erheben sich bedächtig in Luft. Hohe, unglaublich dicke Bäume wechseln sich ab mit dichtem, grünem Schilf, das oftmals durchzogen ist von kleinen Bächen und über die Ufer getretenen Flüssen. Die Straße ist geteert und andere Fahrzeuge sind kaum unterwegs.
Wir erreichen Ziguinchor, die Provinzhauptstadt der Casamance, in der wir das Visa für Guinea-Bissau beantragen. Leider hat die Botschaft, mehr eine kleine, etwas heruntergekommene Hütte, geschlossen. Wir rufen beim Konsul an und wieder Erwarten erscheint dieser nach zehn Minuten. Es tue ihm leid, heute sei Feiertag im Senegal. Er schließt trotzdem auf, stellt uns die Visa aus und schließt wieder ab. Wenn es doch immer so einfach wäre.
Wir verbringen die Nacht an der Küste in Cap Skirring, wo wir Matthias, den Schweizer Motorradfahrer, wieder treffen. Aber er ist nicht das einzig bekannte Gesicht. Beim surfen in Dakar habe ich den Spanier Julian kennengelernt, der inzwischen hier herunter getrampt ist. Ein verrückter Bursche, er ist total pleite und schläft in einem Zelt, vor dem Haus eines italienischen, noch verrückterem Aussteigers. Paolo ist Künstler, dürfte an die vierzig Jahre sein, hat nach einem Motorradunfall vor zehn Jahren nur noch einen Arm. Auf Teilen alter Holzpiroggen malt er beachtliche Bilder. Seine Leistung wird dahingehend noch gesteigert, dass er von Rechtshänder auf die linke Hand umschulen musste. Er lädt uns zu sich ein und bäckt uns tatsächlich eine köstliche Pizza.
Am nächsten Morgen springen wir noch ins Meer, doch wir sind vorsichtig. Julian hat uns gewarnt, er kann selbst mit Board kaum gegen die Strömung ankommen. Und tatsächlich, riesige Wellen verursachen eine gewaltige Strömung, die selbst bei hüfthohem Wasser uns von den Beinen zieht. Wir beschließen aufzubrechen, heute wollen wir noch nach Guinea-Bissau kommen.
In Guinea-Bissau erscheinen selbst die Grenzbeamten erstaunt über die unerwarteten Touristen. Auf jeden Fall haben sie keine Ahnung, wie sie unsere Dokumente auszufüllen zu haben. Auch für uns wird es schwierig, denn als ehemalige Kolonie Portugals ist portugiesisch die Amtssprache, aber selbst die beherrscht hier kaum jemand. Lokale Sprachen dominieren das kleine Land, von denen gibt es aber gefühlt, genauso so viele wie Einwohner.
Mit Händen und Füßen und jeder Menge Lächeln werden wir trotzdem eingestempelt und dürfen einreisen. Die einzige Straße ist extrem schlecht, Matthias fährt mit dem Motorrad voraus, Jan und ich erreichen erst abends die Hauptstadt Bissau. Erschöpft nehmen wir uns ausnahmsweise einen Campingplatz. Dieser gehört überraschenderweise einem Deutschen, der diesen direkt nach dem Bürgerkrieg Anfang der Nullerjahre eröffnet hat. Die noch größere Überraschung allerdings ist, dass er sich einen Pool in seinen Garten gebaut hat, den wir mitbenutzen dürfen. Es ist ein bizarres Bild. Wir liegen in weißen Sonnenstühlen wie an der Côte d’Azur, springen ab und an in das kühle Wasser, während um uns herum morbide Gebäude und verrostete Stahlgerippe stehen, die wohl mal ein Wasserturm werden sollten.
Wir beantragen unsere Visa für Guinea und die Elfenbeinküste und bleiben deshalb zwei Tage in der Stadt. Trotz diverser Reisewarnungen ist auch hier alles friedlich und das Militär und die Bevölkerung ist extrem freundlich. In den letzten Jahren wurden wohl dutzende Politiker ermordet und der momentane Rekord steht bei sechs verschiedenen Regierungschefs pro Kalenderjahr.
Dazu ist das politisch instabile und bis in die höchsten Regierungskreise extrem korrupte Land, Drehkreuz des südamerikanischen Drogenhandels. Täglich erreichen, Berichten zu Folge, eine Tonne Kokain das Land und wird von hier aus nach Europa umgeschlagen. Wir bekommen von all dem nichts mit und machen uns auf Richtung Guinea. Die Grenzen sind aufgrund der vor kurzem geendeten Regenzeit allesamt unpassierbar und wir müssen weit in das Landesinnere ausweichen. Wir haben allerdings einen Tipp bekommen. Irgendwo, auf halben Weg, soll es eine unbekannte, passierbare Grenze geben. Nur ein großer Fluss soll Guinea-Bissau und Guinea an dieser Stelle trennen. Wir beschließen unser unser Glück dort zu probieren.