
Angola
Nachdem wir vor einer Woche Cabinda verlassen hatten, sind wir wieder zurück in Angola. Die Straßen sind geteert und bis auf wenige Schlaglöcher gut befahrbar. Dave und ich befinden uns auf dem schnellsten Weg in die Hauptstadt Luanda. Noch vor ein paar Jahren die teuerste Stadt der Welt, herrscht seit zwei Jahren aufgrund der niedrigen Ölpreise und der korrupten Ex-Regierung wieder die Krise in Luanda und dem restlichen Angola. Jahrelang sind die Preise, auch für Lebenshaltungskosten, äquivalent zu dem wirtschaftlichen Boom gestiegen. Die Währung, der angolanische Kwanza, war stark und wertig. Davon ist nichts mehr zu spüren, der Kwanza fällt wöchentlich, während die Preise weiter steigen.
Als Touristen mit ausländischen Devisen profitieren wir dagegen enorm von dem florierenden Währungsschwarzmarkt. Im Kongo haben wir uns mit US Dollar eingedeckt, den es dort aus dem Geldautomaten gab. Ich tausche 1 Dollar zu 420 Kwanza, während die Bank 1 zu 300 anbietet. Dazu kostet der Liter Diesel 33 Cent und das teure Angola verwandelt sich auf einmal in einen echten Schnapper.
Noch immer ist Daves Motorrad in meinem Auto verladen und meine Kisten festgeschnallt auf dem Dach. Schwer beladen und mit einem doch sehr ungünstigen Schwerpunkt versehen, wanken wir in viel zu hoher Geschwindigkeit die 600 Kilometer in Richtung Luanda.
Die Landschaft ist abwechslungsreich und hügelig, die Straße kurvig und wenig befahren. Dann taucht vor der nächsten Kurve eine Staubwolke auf, wir kommen näher und aus dem Staub erscheint ein umgekippter Lkw mitsamt Hänger. Quer über die Straße liegen Wrackteile, Diesel läuft aus, sogar die Räder drehen sich noch. Ich halte an, der Fahrer steht auf der Fahrbahn, sichtlich geschockt schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. Er blutet aus mehreren Cuts am Kopf, scheint aber ansonsten ok zu sein. Plötzlich bewegt sich etwas in der völlig deformierten Fahrerkabine und ein weiterer Mann kriecht durch die zerborstene Frontscheibe heraus. Sein Gesicht ist blutüberströmt, seine Arme mit tiefen Schnitten aufgeschlitzt. Er kann sich kaum auf den Beinen halten und fällt immer wieder hin. Dave und ich legen ihn neben die Fahrbahn. Er ist schwer verletzt, während sein Kollege durch den Schock kaum ansprechbar ist. Wir sind immer noch alleine und können uns mit ihnen auch nicht verständigen. Dann endlich kommt ein weiterer Lastwagen, ruft einen Krankenwagen und kümmert sich um seine beiden Kollegen. Wären wir nur 20 Sekunden eher an der Stelle gewesen, wir wären auch in den Unfall verwickelt worden. Ein richtiger Wake-Up-Call. Wir fahren anschließend deutlich langsamer weiter.
Die Nacht verbringen wir campend am Strand, nur ein paar junge Fischer gesellen sich abends zu uns. Am nächsten Tag erreichen wir die Ausläufer von Luanda, wir fahren am Strand entlang, wo etwa 50 Schiffswracks in Ufernähe oder gleich am Strand liegen. Eine artgerechte Entsorgung alter Tanker gibt es nicht und so werden sie hier einfach auf Grund gefahren. Ein bizarres Bild, das mir Afrikas Vermüllung weiter verdeutlicht. Leider gesellt sich auch von mir weiterer Müll dazu, denn meine Drohne rast in ein gespanntes Stahlseil eines Trawlers und stürzt dann ins Meer. Ein bitterer Verlust.
Luanda ist eine verrückte Stadt, im letzten Jahrzehnt jährlich 10% gewachsen, legen sich Ringroads wie Baumringe um das Zentrum. Dave und ich sind eingeladen bei Carlos Oliveira und seiner Familie. Wir haben ein eigenes Zimmer und gehören sofort zur Familie, zu der drei riesigen dänischen Doggen gehören, als wäre es niemals anders gewesen.
Carlos, Präsident eines angolanischen Motorradclubs, ist schon die Rallye Dakar gefahren und pflegt eine Open-House-Policy für Overlander.
Mit seiner Frau, seiner Tochter und deren Mann gehen wir am zweiten Abend Sushi essen. Kurze Zeit liegen Dave und ich flach, die Panik ist groß, wir denken wir haben Malaria und fahren ins Krankenhaus. Der Test negativ, dafür haben wir eine Fischvergiftung. Kurz darauf erwischt es auch den Rest der Familie.
Die Zeit nutze ich um halb Luanda nach neuen Vorderreifen zu durchsuchen. Meine sind komplett abgefahren, leider gibt es meine Größe nicht und so muss ich mit zu kleinen Reifen weiterfahren. Mindestens bis Windhoek, dort gibt es dann hoffentlich wieder meine Reifengröße.
Auch Dave nutzt die Zeit und repariert sein Motorrad und so bleiben wir fast eine Woche bei Carlos und seiner Familie. Sie sind vor 60 Jahren von Portugal nach Angola eingewandert und so genieße ich alle Vorzüge der portugiesischen Küche.
Die Gastfreundschaft der Oliveiras ist unglaublich, entsprechend schwer fällt der Abschied. Ich bin mir unschlüssig, ob ich in Europa jemals so etwas wiederfinden werde.
Wir sind wieder unterwegs Richtung Süden, eine gerade Teerstraße, als plötzlich ein kleiner Junge vor mir über die Straße rennt. Mit aller Kraft trete ich in die Bremse, die Reifen quietschen, der Landrover bricht sofort aus. Quer schlittere ich über die Fahrbahn, der kleine Junge rauscht circa einem halben Meter an meinem Kotflügel vorbei. Wenige Meter später komme ich mit Herzklopfen und zittrigen Beinen zum stehen. Wie knapp war das denn?
Dave und ich haben noch etwas vor, wir wollen die komplette angolanische Wüste nach Namibia durchqueren. Nicht ganz einfach, es ist karg und steinig, ab und an sandig, aber vor allem unglaublich einsam. Wir haben aufgestockt mit Benzin, Vorräten und Wasser und brauchen ganze vier Tage für die Durchquerung. Ab und an sehen wir Bewohner des lokalen Himba-Volkes, Viehhirten, die hier noch weitestgehend autark leben. Sie färben sich die Haare mit einer roten Paste und tragen nur einen kurzen Lendenschurz. Sowohl Männer als auch Frauen. Dave lädt ein paar Photos auf Facebook hoch und wird daraufhin zu unsrer Belustigung gesperrt.
Wir versuchen ein paar Mal mit Händen und Füßen mit ihnen zu kommunizieren, aber es bleibt bei Versuchen. Trotzdem sind sie uns wohl-gesonnen und freundlich.
Nach vier Tagen erreichen wir einen kleinen namibischen Grenzposten und auf der anderen Seite beginnt die Teerstraße. Angola wird das letzte abenteuerliche Land gewesen sein, ab jetzt beginnt die Zivilisation.